Donnerstag, 2. März 2017
Wie um alles in der Welt konnte die Menschheit überleben?
Wie um alles in der Welt konnte die Menschheit überleben? Wie war das möglich? Lese ich ich nach, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Mama-Zelle und Papa-Zelle zusammenfinden, müssten wir längst ausgestorben sein. Da steht irgendwo, dass zwei Zwanzigjährige, die komplett gesund sind und sich bester Fruchtbarkeit erfreuen, im Schnitt ein Dreivierteljahr benötigen, bis es klappt. Wie bitte?

Und wenn es klappt…dann kann unfassbar viel schiefgehen. Falsche Einnistung…Eileiterschwangerschaft…Ablösungen…Missbildungen…Fehl- und Totgeburten…Geburtskomplikationen. Man hat das Gefühl, nur jeder fünfzehnte Embryo überlebt. Und das heute, wo Frauen von Woche Eins an medizinisch begleitet werden, wo eine 3 D-Ultraschall-Flatrate als IGeL-Leistung gebucht werden kann, wo schon in der dritten Schwangerschaftswoche die ersten Vorbereitungskurse beginnen, wo Kreißsäle für die perfekte Auswahl des Geburtsortes vorab besichtigt werden können, wo elaborierte Speisepläne auch das letzte Vergiftungsrisiko ausschließen, wo es in Drogerien und Apotheken eigene Regal-Abteilungen für „Mamas und die, die es werden wollen“ gibt. Wie war das bloß vor ein paar hundert Jahren? Als Frauen von ihrer Schwangerschaft erst erfuhren, als sie plötzlich ihre Füße nicht mehr sahen? Als die Geburt darin bestand, das Kind einfach hinter sich auf den Acker plumpsen zu lassen? Statt in einem sterilen OP von einem Team aus Ärzten und Geburtshelfern bei frischen Handtüchern und heißem Wasser einer Form von Heilbehandlung unterzogen zu werden (seit wann ist die Geburt eines Menschen eigentlich ein medizinischer Notfall?). Wie konnte die Menschheit diese früheren Zeiten überleben?

Es dürfte auch eine bedeutende Fallzahl an Paaren geben, bei denen der Mann die Frau während der Schwangerschaft aus dem Fenster wirft oder mit einem nassen Handtuch erschlägt. Die Frau (das ist die, die jahrelang keifend darauf gedrängt hat, man müsse sich endlich fortpflanzen…und die nun poltert: „Na toll…jetzt versaue ich mir auch noch meine Figur für DEIN Kind!“) verändert sich nicht nur äußerlich. Sie wird ein ganzheitlich anderer Mensch. Hormone, Psychologie und ein rapide einsetzender seelischer Reifungsprozess bringen Müdigkeit, Gereiztheit und Übellaunigkeit in einem Maß mit sich, neben dem selbst osteuropäische KP-Diktatoren der frühen 70er Jahre wie Vorbilder des Anstands und der Fairness wirken.

Aber auch wenn die Männer ihre Freundinnen und Frauen leben lassen und somit die Chance auf ein Kind bewahren…die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weiterem Nachwuchs kommt, müsste eigentlich verschwindend gering sein. Wenn eine Frau nach neun Monaten des schwallartigen Erbrechens, der Schmerzen, der Kurzatmigkeit und der geringstmöglichen körperlichen Belastbarkeit endlich den ersehnten Stichtag erreicht, stehen ihr Höllenqualen bevor. Vernichtungsschmerz mit der Angst, von innen heraus zu zerreißen, stundenlang. Und wenn sie dann an ihrem ausgeleierten, geschundenen Leib herabblicken und sich auf anderthalb Jahre Schlaflosigkeit, stalinorgelartiges Geschrei, permanenten Streit mit dem Kindsvater und finanzielle Not gefasst machen, sollte der Wunsch nach weiteren Sprösslingen eigentlich erloschen sein.

Und trotz alledem wird es in ein paar Jahren 10 Milliarden Menschen geben. Wie ist das möglich?

Die Natur hat es nur halb clever eingerichtet. Warum ist nur der Zeugungsakt etwas Schönes? Warum nicht auch die Geburt? Als Anreiz? Warum kein Orgasmus bei der Niederkunft? Evolutionspsychologisch unverständlich.

Aber es scheint ja zu reichen, dass die Bestäubung Spaß macht. Ein körperliches Grundbedürfnis ist. Für viele sogar einziger Lebensinhalt. Der Wunsch, sich fortzupflanzen, inspiriert fast alles. Wer Eiscreme verkaufen will, produziert Werbespots, in denen rot geschminkte Frauenmünder an Eishörnchen herumknabbern. Wer beruflich befördert werden möchte, versucht, von Chef oder Chefin möglichst attraktiv gefunden zu werden.

Eben sagte ich, der Wunsch nach Fortpflanzung inspiriere FAST alles. Freud ging noch weiter. Meinen 70 Zentimeter langen Schuhlöffel mag ich nicht deshalb, so Freud, weil er mir knieschonend den Weg in die Schuhe ebnet und eben praktisch ist.
Nein, ich mag ihn, weil davon träume, dass der Schuhlöffel mein Penis ist.

Stimmt glaub ich nicht. Vor allem glaub ich aber, dass mir mit einem Penis, der aussieht wie ein 70 Zentimeter langer Schuhlöffel, deutlich schlechtere Aussichten auf Fortpflanzung gewunken hätten. Damit hätte ich zwar einen kleinen Beitrag zum von mir prognostizierten Ende der Menschheit geleistet…hab ich aber nicht.

Ich freue mich auf J.

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